Workshop

«Ad movendam animum». Liturgische Gesten in Musik und Bild

6. November 2015 - 9.00 – 16.00 Uhr
eikones Forum

»Nescio quomodo …« Selbst Augustinus weiß nicht genau wie es vonstattengeht, dass da doch die innere, unsichtbare Bewegung der äußerlichen Körperbewegung vorangeht, doch gleichzeitig die äußerliche Regung wiederum die Seele in Regung zu setzen vermag. Seine Seelenlehre sowie seine Beobachtungen zur Gestik werden allerdings während des gesamten Mittelalters rezipiert und prägen auch die (vor)scholastischen Dispute zur angemessenen Körperhaltung in Liturgie und Gesellschaft im Zuge der zahlreichen Reformbewegungen des 12. Jahrhunderts: Die Geste wird zum Vermittler zwischen Mikro- und Makrokosmos, zwischen Ständen und Ordnungen, zwischen Leib und Seele.

Diese mediale Funktion der Geste (gestus) sowie des negativ konnotierten gesticulare tritt zu dieser Zeit im Besondern auch in den ›Liturgischen Dramen‹ sowie ›Geistlichen Spielen‹ in den Vordergrund: Werden Szenen der Heilsgeschichte innerhalb der Liturgie (theatral) nachgeahmt und deren Bewegtheit in liturgischen Büchern sowie im Kirchenraum bildlich dargestellt, so sind diese nicht nur in der offensichtlichen Imitation von liturgischen Gesten miteinander verbunden, sondern auch im Denken der Zeit, dass die Bewegungen, die durch die gegenseitige Beeinflussung von äußeren Zeichen und innerer Haltung entsteht, als logischen und idealen Ausdruck innerhalb einer kosmischen Ordnung versteht. Da die ars musica seit Augustinus als die ›Wissenschaft der Bewegung‹ schlechthin definiert wird, kommt ihr innerhalb dieser Konstellation eine zentrale Rolle zu. Begriffen als Ausformung in Raum und Zeit ist die Kunst der Musik damit im mittelalterlichen Verständnis für drei unterschiedliche Sinneseindrücke empfänglich: Hören, Sehen und Fühlen. Die Musik ist demnach unmittelbar verbunden mit Wahrnehmung und Ausdruck in Körper und Seele und wird somit selbst zum Vermittler zwischen Gesten, Bildern und liturgischen Klängen.

Ausgehend von der systematischen Darstellung einer Logik der Gesten im europäischen Mittelalter von Jean-Claude Schmitt soll in diesem Workshop anhand von zwei Beispielen, der Visitatio Sepulchri und des Ludus Danielis, das Verhältnis von Musik und Bild über Gestik und Bewegung aus analytischer, historiographischer sowie systematischer Sicht beleuchtet werden.

Um Anmeldung unter irene.holzer@unbas.ch wird gebeten, um Ihnen Materialien zur Vorbereitung zukommen lassen zu können.

Programm

09.00 – 10.30Einführung
Irene Holzer (Basel): Voicing the Inaudible-Visualizing
the Invisible: Oszillierende Momente in der
Visitatio Sepulchri (Typ II)
10.30  11.00Pause
11.00  12.30Nils Holger Peterson (Kopenhagen): The Fleury 'Raising of Lazarus':
Between Gesture and Perfomativity
12.30  14.00Mittagspause
14.00  16.00Elaine Stratton Hild (Würzburg):
Portraying redemption:
The interaction between physical movement
and melody in the Danielis ludus


Konzept: Irene Holzer

Referierende: Irene Holzer, Nils Holger Petersen (Kopenhagen), Elaine Stratton Hild (Würzburg)

eikones NFS Bildkritik, Rheinsprung 11, CH - 4051 Basel